Medizinerin Dr. Claudia Thiel beantwortet in diesem exklusiven Interview Fragen über Themen wie „Abnehmen ab 40“, gesunde Ernährungsgewohnheiten und neue Technologien für die Erhöhung der Lebensqualität.
Welche spezifischen Herausforderungen begegnen Personen beim Abnehmen ab 40, und welche wichtigen physiologischen Faktoren sind dabei zu berücksichtigen?
Abnehmen für Menschen ab 40 stellt deshalb für viele ein Problem dar, weil sie mitten im Leben stehen und voll eingebunden in Beruf und Familie sind. Sie haben oft auch einige finanzielle Verpflichtungen, was insgesamt einfach viel Stress bedeutet. Dabei bleibt oft nicht mehr viel Zeit, sich um sich selbst zu kümmern, um fit und schlank zu bleiben. Speziell auch dann, wenn man in einer festen Partnerschaft ist und ein attraktiver Körper in den Hintergrund rückt, weil andere Dinge einfach wichtiger sind.
So hetzen die Menschen tagtäglich durch ihren Alltag, haben wenig Bewegung und keine Zeit für Sport. Ist dann endlich Feierabend oder Wochenende, gönnen sie sich gerne etwas Gutes. Es wird gut gegessen und sich dazu auch mal ein (oder mehr) schönes Glas Wein oder Bier gegönnt. Das Leben wird für viele Menschen ab 40 ziemlich bequem, der Bauch wächst und das Gewicht steigt langsam, aber stetig an.
Das sind die sozialen Faktoren für einen Gewichtsüberschuss, gibt es aber auch physiologische Gründe, weshalb Abnehmen ab 40 für Menschen schwieriger ist als in jüngeren Jahren?
Absolut. Der Körper büßt schon ab Mitte 20 nach und nach ein Stück seiner Reparatur- und Regenerationsfähigkeit ein. Der Organismus kann Fehler, die während der Zellteilungen entstehen, nicht mehr komplett beseitigen. Dadurch reichern sich Fehler im Erbgut der Körperzellen an und die Zellen produzieren vermehrt Abfall. Es kommt zu Funktionsstörungen, wodurch sich der gesamte Stoffwechsel verschlechtert. Die Zellen in den Organen sind nicht mehr so fit und so kommt es mit der Zeit zu den typischen Alterungserscheinungen.
Fatal ist, dass wir selbst das lange gar nicht bemerken. Und plötzlich ist es da: die erste Falte oder die unebene Haut, wie beispielsweise Cellulite. Das passiert ab 40 und ist schlagartig präsent. Ein typisches Beispiel ist die Überraschung, wenn man feststellen muss, dass die Speisekarte beim romantischen Dinner im Kerzenschein viel zu klein geschrieben ist.
Ist jede Form von Gewichtsabnahme gesund?
Grundsätzlich ist es in jedem Alter wichtig, ein normales Gewicht zu halten. Und das wird eben mit den Jahren immer schwieriger. Dabei müssen wir uns erst einmal fragen: „Was macht eigentlich dick?“ Es geht hier nämlich nicht nur um die Zahl auf der Waage, sondern vielmehr geht es darum, eine gute Körperzusammensetzung zu erhalten, damit man gesund alt wird.
Es geht also um das Verhältnis von Muskeln zu Fett in unserem Körper. Der Mensch hat eine faszinierende Muskulatur mit insgesamt 656 Muskeln, die alle eine Aufgabe haben. Unser Körper ist dafür gemacht, dass wir diese auch benutzen. Denn wenn wir das nicht tun, entstehen vorzeitiger Verschleiß und degenerative Erkrankungen, wie Arthrose und chronische Rückenschmerzen, begleiten uns fortan. Um Muskeln zu erhalten, benötigen wir Eiweiß.
Gerne “verteufeln” wir Körperfett und wollen es loswerden – welche Aufgaben hat es eigentlich?
Das Körperfett hat die Aufgabe, uns zu wärmen, zu polstern und zu stützen. Es dient als Baustoff für die Zellwände und ist Ausgangsstoff für viele Hormone. Das Fett der Haut, also der Speck, dient als Energiespeicher für schlechtere Zeiten. In der Entwicklung des Menschen wechselten sich immer Phasen des Überflusses mit Phasen des Mangels und Hungers ab. Also war es wichtig, effektiv Energie speichern zu können für schlechte Zeiten. Immer wenn wir mehr essen, als wir verbrennen, bauen wir unsere Fettdepots auf.
Heutzutage leben wir im Überfluss und ernähren uns mit sehr vielen Kohlenhydraten. Das ist zum einen Zucker, also alles Süße, wie beispielsweise Obst. Aber auch Stärke in Brot, Gebäck, Nudeln, Kartoffeln und Reis. Alle Kohlenhydrate werden im Körper als Zucker transportiert, und Zucker ist der optimale schnell verfügbare Energieträger. Aber zu viel Zucker im Blut ist gefährlich und lässt den Körper schneller altern, weil die Eiweiße „verzuckern“. Das ist so ähnlich wie „rosten“. Hier kommt nun das Insulin ins Spiel. Insulin hat die Aufgabe, den Blutzuckerspiegel möglichst konstant zu halten
Nun ist unser Körper clever und macht mithilfe des Insulins den Zucker unschädlich, indem er einfach Fett daraus macht und im Speck speichert. Kommt aber zu viel Zucker auf einmal, dann kann auch der Speck nicht mehr Zucker aufnehmen und das Fett wird in den inneren Organen abgelagert. Das ist dann der Zustand der Insulinresistenz. Die Leber verfettet und der Bauch wird immer dicker. Dieses „viszerale“ Fett macht den Körper krank. Die Folgen sind Diabetes, hoher Blutdruck, Herz- und Gefäßerkrankungen, Krebs und Demenz.
Wie kann man die Ernährung so gestalten, dass Abnehmen ab 40 sowohl effektiv als auch gesundheitsfördernd geschieht?
Eine gesunde und „artgerechte“ Ernährung muss zwei Dinge gewährleisten:
Erstens muss sie unseren Körper mit allem versorgen, was er braucht. Das sind Eiweiße, gute Fette, Vitalstoffe und Ballaststoffe für unsere Darmgesundheit. Zweitens darf sie uns nicht mästen, so dass die Organe verfetten und krank werden. Dafür sind regelmäßige Fastenphasen wichtig, damit die Zellen in der Fastenzeit Hausputz machen und den Abfall entsorgen können. Nur so verlangsamen wir den Alterungsprozess und bleiben lange gesund.
Das bedeutet: Wer abnehmen will, muss essen. Und zwar das Richtige mit wenigen Kohlenhydraten und ausreichend Eiweiß für eine starke Muskulatur. Die tägliche Eiweißzufuhr sollte ca. 1,2 g/Kilogramm Körpergewicht betragen und gleichmäßig auf 3 Mahlzeiten verteilt werden. Außerdem ist auf Pausen zwischen den Mahlzeiten zu achten, damit der Zucker abgebaut wird, der Insulinspiegel niedrig ist und der Körper immer wieder in die Fettverbrennung gehen kann. Ich empfehle 4 bis 6 Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten einzuhalten. Dabei ist es hilfreich, viel Wasser oder ungesüßten Tee in den Zwischenzeiten zu trinken.
Welche Arten von körperlicher Betätigung sind besonders empfehlenswert für das Abnehmen ab 40, um sowohl Gewicht zu verlieren als auch die allgemeine Gesundheit zu verbessern?
Jede Form der Bewegung ist gut. Hauptsache, man tut es. Fang einfach mal mit den Schritten an, die du täglich zurücklegst. Schon 2000 bis 3000 Schritte täglich haben einen positiven Gesundheitsaspekt und verlängern die gesunde Lebenszeit.
Natürlich ist auch jede Form von Ausdauertraining empfehlenswert, wenn es die Gelenke zulassen. Es ist egal ob Laufen, Radfahren, Schwimmen oder Rudern. Es sollte möglichst Spaß machen und langfristig beibehalten werden. Dabei verbrennt der Körper Energie und baut auch das Fett ab, wenn der Zucker erst einmal verbraucht ist. Wer sich viel bewegt, darf auch etwas mehr Kohlenhydrate essen. Denn Kohlenhydrate muss man sich verdienen!
Mindestens genauso wichtig ist aber das Krafttraining. Je mehr Muskeln jemand hat, desto mehr darf er essen. Dann verbrennt der Körper das Fett auch ganz leicht im Schlaf. Und Muskelaufbau funktioniert glücklicherweise in jedem Alter. Je mehr Muskeln wir haben, desto länger dauert der physiologische Abbauprozess und wir erhalten unsere Mobilität bis ins hohe Alter.
Inwiefern beeinflusst das Alter über 40 die psychologische Einstellung zum Abnehmen, und welche Motivationstipps können Sie für diese Altersgruppe geben?
Mit Ü40 haben wir eigentlich unsere natürliche Aufgabe auf dieser Erde erfüllt, nämlich uns fortzupflanzen. Wenn die Partnersuche nicht mehr oben auf der Agenda steht und man sich richtig schön bequem eingerichtet hat, dann gibt es für viele Menschen keinen Anlass mehr, sich um ihren Körper zu kümmern. Also ist es auch nicht so schlimm, wenn immer mehr Gewicht auf die Waage kommt. Nur so kann ich es mir erklären, dass es so viele Menschen mit Übergewicht gibt, die das als „normal“ akzeptieren.
Gleichzeitig fühlen sich immer mehr Menschen müde, abgeschlagen bis depressiv. Und die ganzen Zivilisationskrankheiten nehmen ihren Lauf. Das aber hängt direkt mit Übergewicht und Inaktivität zusammen. Ein Teufelskreis beginnt, aus dem viele nicht rauskommen. Ein fitter und schlanker Körper rückt in weite Ferne und die Lebensqualität sinkt. Also Abnehmen ist die effektivste Therapie von vielen Krankheiten.
Welche Strategien zum Abnehmen ab 40 werden von Ihren Patienten vorrangig gewünscht?
Ich als Ärztin bin täglich mit dieser Thematik konfrontiert. Oft wird eine Tablette oder Spritze gerne genommen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Sogar Magenverkleinerung oder Darmverkürzung werden in Erwägung gezogen. Sein Leben ändern und aktiv werden, wollen die wenigsten. Aber keine Tablette oder Spritze setzt an der Ursache an, ich behandle damit nur die Symptome. Das macht mich persönlich sehr unzufrieden. Ich will Menschen gesund machen und erhalten.
Ich weiß, dass Abnehmen ab 40 für viele Menschen wirklich schwer ist. Die gute Nachricht ist aber, jeder kann abnehmen! Auch wenn es manche Menschen schwerer haben als andere und das mit zunehmendem Alter auch noch immer schwieriger wird. Auch sind verschiedene Erkrankungen oder auch Medikamente richtige Abnehm-Killer.
Es gibt für jeden eine passende Strategie, mit der gesundes und nachhaltiges Abnehmen auch langfristig funktioniert. Manchmal ist eine professionelle Unterstützung hilfreich, wie wir sie bei uns im Ernährungszentrum-Saar anbieten, um den richtigen Weg zu finden und eine gesunde Gewichtsabnahme zu garantieren. Denn nicht nur auf der Waage muss das Gewicht runter. Vielmehr müssen die Fettdepots schmelzen und die Muskeln gleichzeitig erhalten bleiben.
Welche Rolle spielt die Psyche für das Abnehmen ab 40?
Das Wichtigste für den Langzeiterfolg ist, dass eine Veränderung wirklich gewünscht wird. Ich frage dann gerne: Was stört Sie an Ihrem jetzigen Zustand? Was wollen Sie gerne tun, das Sie in Ihrem jetzigen Zustand nicht tun können? Stellen Sie sich vor, wie leicht Sie sich fühlen, wenn Sie XX Kilos abgenommen haben? Wenn da ein brennendes Verlangen geweckt wird, dann ist es auch leicht, dranzubleiben.
Mir sind diejenigen am liebsten, die großen Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legen und körperlich attraktiv sein möchten. Deswegen bin ich auch ein begeisterter Fan von Abnehmen im Liegen, einer Behandlungsmethode zum Body-Forming, die gezielt lokal Ultraschall und Reizstrom zur Aktivierung des Fettgewebes und zum Muskelaufbau einsetzt.
Da kommen Menschen zu uns, denen ihr Körper wichtig ist und die auch bereit sind, etwas zu investieren. Wenn wir es dann noch schaffen, sie von der Notwendigkeit einer gesunden Ernährung zu überzeugen und zu mehr Alltagsbewegung zu motivieren, dann schmelzen die Fettpolster und der Körper wird fit, schlank und gesünder.
Welche realistischen und gesundheitsfördernden Ziele sollten Personen über 40 für das Jahr 2024 in Bezug auf Abnehmen und Lebensstiländerungen setzen?
Das oberste Ziel für Menschen über 40 sollte langfristig ein Normalgewicht (BMI <25 kg/m2) sein. Dabei ist die Messung des Körperfettanteils mittels einer Bioimpedanzmessung sinnvoll. Hier ist eine normale Menge an viszeralem Fett das Ziel (es gibt altersadaptierte Normwerte). Eine Gewichtsabnahme von 500 bis 1000 Gramm pro Woche, überwiegend durch Fettreduktion, ist erstrebenswert und durchaus machbar.
Ich gebe zu, für viele übergewichtige Menschen ist Normalgewicht erst einmal utopisch. Es geht ja hier um realistische Ziele. Ich kann Sie beruhigen. Schon eine gesunde Gewichtsabnahme von 5 bis 10 % des Ausgangsgewichts hat eine tiefgreifende Verbesserung des Stoffwechsels zur Folge. Damit können Sie ja anfangen. Wenn das geschafft ist, geht vielleicht auch mehr.
Auf jeden Fall sollten in einer Blutanalyse der Blutzuckerspiegel und die Leberwerte möglichst normal sein. Das erreichen Sie mit einer Reduktion der Kalorien und Kohlenhydrate sowie einer eiweißreichen Ernährung. Starten Sie ins neue Jahr mit einem Zuckerentzug. Verzichten Sie mindestens 14 Tage auf alle Kohlenhydrate in Form von Zucker (auch Obst!) und Stärke. Das wären Brot, Nudeln, Kartoffeln und Reis.
Muss fürs Abnehmen ab 40 hungern für den Erfolg?
Sie müssen dabei nicht hungern. Essen Sie große Mengen an Gemüse und Salat bis zum Abwinken in 3 Mahlzeiten – keine Zwischenmahlzeiten oder Snacks. Der Bauch muss voll sein! Dazu noch Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte, Soja oder Hülsenfrüchte. Ziel ist eine Eiweißmenge von 1,2 g/Kg /Körpergewicht. Hier macht es auch Sinn, eine Food-App zu nutzen, bis man die erforderliche Menge einschätzen kann. Dabei noch 2-3 Liter Wasser trinken, dann werden die Pfunde nur so purzeln und Lebensenergie kommt zurück.
Auch die Bewegung sollte nicht zu kurz kommen. 2000 bis 3000 Schritte täglich sind für jeden gut machbar. Wer natürlich richtigen Sport macht, hat noch mehr Benefit für seine Gewichtsreduktion und Gesundheit. Aber nicht übertreiben, denn zu viel ist auch nicht gut.
Aus Ihrer langjährigen Erfahrung als Ärztin – welcher Abnehm-Killer wird oftmals vernachlässigt?
Einer der meist vernachlässigten Abnehm-Killer ist der Stress. Chronischer Stress macht uns krank und dick, indem durch einen erhöhten Cortisolspiegel der Kohlenhydratstoffwechsel gestört wird und sich eine Insulinresistenz entwickelt. Das führt zu Heißhungerattacken, depressiver Verstimmung und Schlafstörung. Hier sind Entspannungsübungen hilfreich. Lernen Sie richtiges Atmen, Meditation, Yoga, autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen oder Ähnliches. Wenn der Stresslevel sinkt, dann ist auch das Abnehmen ab 40 leichter.
Die Strategie ist klar. Jetzt heißt es: TUN.
Vielen Dank für Ihr Interesse und viel Erfolg
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